Ein Brückenbauer für den Nahen Osten
Kaum hat sich Präsident Obama in Washington für einen Palästinenserstaat und die Festlegung der Grenzlinien von 1967 ausgesprochen, was der der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu prompt zurückgewiesen hat, wird einer der renommiertesten Künstler des internationalen Konzertbetriebs für seine Bemühungen um Frieden im Nahostkonflikt geehrt: Daniel Barenboim.
(Susanna Dal Monte)
Barenboim setzt sich wie kaum ein anderer Künstler für den Frieden im Nahostkonflikt ein, hat in den Palästinensergebieten Konzerte gegeben, das West-Eastern Divan Orchestra aus jungen israelischen und arabischen Musikern gegründet und sich in Israel für die dort heftig umstrittene Aufführung von Werken Richard Wagners eingesetzt.
Er gastiert nicht nur Freitagabend im Wiener Musikverein, sondern wird auch mit dem Bruno-Kreisky-Preis für die Verdienste um die Menschenrechte geehrt.
Kritik an Israels Politik
Barenboim zeigt sich zu Beginn des Gesprächs entsetzt, dass der israelische Premier die Obama-Rede postwenden zurückgewiesen hat, ohne sie zunächst gründlich zu analysieren. Netanyahu schade damit nicht nur Palästinensern sondern auch Israelis. In Israel mangle es generell an Analysefähigkeit „und ich als Jude kann das sagen“.
Wenn es um den nahen Osten geht wird Daniel Barenboim emotional: Er will nicht auf den Frieden warten, sondern auf ihn zugehen und das seit Jahren.
In Buenos Aires geboren, von russischer, argentinischer, spanischer und israelischer Abstammung, ist er wohl der einzige Israeli, der seit 2007 auch die palästinensischer Staatsangehörigkeit inne hat.
Was er fordert, ist mehr internationalen Druck gegen die Gazablockade , denn nur eine Öffnung des Gaza-Streifens werde den Weg für eine Verständigung freimachen, meint Barenboim. Aber die Zeichen stehen wieder einmal schlecht. Barenboim kritisiert in dem Zusammenhang vor allem den jüngsten Siedlungsbau: „Netanyahu lacht sich kaputt über Obama“.
Labor für alternatives Denken
Mit dem West Eastern Divan Jugendorchester, das er gemeinsam mit dem in Palästina geborenen Literaturwissenschaftler Edward Said gründete und das aus arabischen und israelischen Musikern zusammengesetzt ist, versucht Barenboim im kleinen Toleranz zu lehren: „Brücken können nur von Menschen gebaut werden, nicht von Politikern“.
Er baut Brücken und wird dafür in aller Welt ausgezeichnet. In Wien erhält er für sein Engagement um die Versöhnung im Nahost-Konflikt den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis, der 1976 anlässlich des 65. Geburtstags des damaligen österreichischen Bundeskanzlers ins Leben gerufen wurde, mit 700 000 Euro dotiert ist und in unregelmäßigen Abständen von einer Stiftung vergeben wird.
Das West Eastern Divan Orchester unter der Leitung von Daniel Barenboim ist heute im Wiener musikverein zu hören.
Weitere Preisträger
Die weiteren Preisträger sind das psychosoziale Zentrum Esra, der Verein Aspis und der Verein Hemayat.
Das psychosoziale Zentrum Esra wird für die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung gewürdigt.
Aspis, eine unabhängige Einrichtung an der Universität Klagenfurt, hat sich ebenfalls psychotherapeutische und psychosoziale Hilfe für traumatisierte Menschen, insbesondere für Folteropfer und Überlebende des Nazi-Terrors an die Fahnen geheftet.
Der Verein Hemayat, 1995 in Wien gegründet, hat sich als Zentrum für medizinische, psychologische und psychotherapeutische Betreuung von Folter- und Kriegsüberlebenden etabliert. „Hemayat“ stammt aus dem arabischen Sprachraum und bedeutet „Betreuung“ und „Schutz“.
Textfassung: Joseph Schimmer
20.05.2011
http://oe1.orf.at/artikel/277424