Bruno Kreisky Stiftung

für Verdienste um die Menschenrechte

2017 | 17. Verleihung

9. Juni 2017
Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek, Wien

Aslı Erdoğan
Zeit ihres Lebens hat sich Aslı Erdoğan, die als Physikerin am CERN in Genf geforscht hat und von 2012 bis 2013 als „writer in exile“ Gast im Internationalen Haus der Autorinnen und Autoren Graz gewesen war, aktiv und vorbehaltslos für die Durchsetzung der Menschenrechte eingesetzt.
Als Maßstab der Orientierung dienen der engagierten Menschenrechtsaktivistin Erdogan in allen ihren Veröffentlichungen insbesondere die Erscheinungsformen von Leid und Ungerechtigkeit, denen sie immer wieder nachspürt.
Derzeit wird Frau Aslı Erdoğan in der Türkei gerichtlich verfolgt. Sie wurde wegen vier verschiedener Verbrechen angeklagt, u. a. wegen ihrer Kolumne und Mitgliedschaft in einem Beirat in einer kurdischen Zeitung. Sie wurde aufgrund der Anschuldigung der Zerstörung der Einheit und der Integrität des Staates und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation verhaftet. Am 29. Dezember 2016 wurde sie gegen Kaution freigelassen, es ist ihr jedoch derzeit verboten, ins Ausland zu reisen.
Neben dem Preis für Verdienste um die Menschenrechte an Aslı Erdoğan werden noch weitere Preise an die „Queer Base“ und an das „UMF Haus Liebhartstal“ vergeben, die in Österreich einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Menschenrechte leisten.

Pressemeldungen:
https://orf.at/v2/stories/2374481/
https://derstandard.at/2000058848849/Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis-Asli-Erdogan-fehlt-bei-Verleihung
https://www.deutschlandfunkkultur.de/menschenrechtspreis-fuer-asli-erdogan.265.de.html?drn:news_id=697790
http://www.cronicaviva.com.pe/la-escritora-turca-asli-erdogan-premio-bruno-kreisky-de-derechos-humanos/

Queer Base
Queer Base ist eine Organisation von Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in Wien, die geflüchtete Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Interpersonen bei ihrem Asylverfahren und danach unterstützt. Queer Base wird vom Fonds Soziales Wien gefördert sowie von Spenderinnen und Spendern getragen.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Interpersonen sowie Queers (LGBTIQ) werden in über 70 Ländern der Welt kriminalisiert, von körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt bedroht. In Österreich ist es seit längerer Zeit möglich, unter dem Titel „Angehörige einer sozialen Gruppe“ Asyl aufgrund von homo- bzw. transfeindlicher Verfolgung zu beantragen. Jedoch gibt es strukturelle Probleme, die die Situation von LGBTIQ-Geflüchteten verschlechtern. Queer Base organisiert in Kooperationen mit Organisationen wie Lares (Diakonie) spezifischen Wohnraum für LGBTIQ Geflüchtete und bietet den Geflüchteten in der Türkis Rosa Lila Villa ein Ort, um Gleichgesinnte und Verbündete zu finden. Es gibt außerdem kostenlose Unterstützung in rechtlichen Fragen und es wird an einem wachsenden Netzwerk an LGBTIQ Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie Peer Beraterinnen und Beratern gearbeitet.

UMF Haus Liebhartstal
Das UMF Haus Liebhartstal wurde im August 2015 eröffnet. Das Haus wird vom Arbeiter-Samariter-Bund betrieben und befindet sich im 16. Wiener Gemeindebezirk in einem ehemaligen Pensionistenwohnheim. Die ersten Bewohnerinnen waren eine Gruppe von unbegleiteten minderjährigen Mädchen. Im Zuge der Ereignisse im Herbst 2015 und dem akuten Bedarf an Unterbringung von geflüchteten Personen, wuchs die Bewohnerzahl rasch auf 60 unbegleitete minderjährige Mädchen und Burschen aus Syrien, Afghanistan, Somalia und anderen afrikanischen Ländern an. Seit Herbst 2015 leitet Mag. Christine Okresek das UMF Haus Liebhartstal. Neben dem UMF Haus Liebhartstal liegt das Wohnhaus für geflüchtete Familien und Frauen, das von Mag. Monika Thalhammer geleitet wird.
Die Jugendlichen wohnen in drei koedukativen Wohngruppen, außerdem gibt es eine Wohngruppe für Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährige. Es gibt Doppelzimmer und einige wenige Einzelzimmer mit integriertem Badezimmer und einem Balkon, so dass Privatsphäre und Sicherheit der jungen Menschen bestens gewährleitet sind. Jede Wohngruppe verfügt über eine Küche, in der mit und für die Jugendlichen gekocht wird, sowie über Freizeiträume.

Der Ehrenpreis der Bruno Kreisky Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte wurde am 19. Juni um 19 Uhr im Bruno Kreisky Forum für Internationale Dialoge an den Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck in besonderer Anerkennung seiner juristischen Arbeit im Rahmen des European Center for Constitutional and Human Rights vergeben.
Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck gründete 2007 gemeinsam mit international aktiven Anwältinnen und Anwälten das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, dessen Generalsekretär und Legal Director er seitdem ist. Als unabhängige Organisation initiiert, betreibt und unterstützt das ECCHR gemeinsam mit Anwältinnen und Anwälten sowie Organisationen weltweit eine Vielzahl juristischer Verfahren wegen Völkerstraftaten gegen staatliche und nicht-staatliche Akteure. Im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte nutzt das ECCHR vielfältige rechtliche Mittel, um gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und deren Folgen vorzugehen.
Vor Gründung des ECCHR war der Fachanwalt für Strafrecht seit 1991 in der Kanzlei „Hummel.Kaleck.Rechtsanwälte“ als Strafverteidiger tätig. Seit 1998 setzte er sich außerdem in der Koalition gegen Straflosigkeit dafür ein, dass die Verantwortlichen für die Ermordung und das so genannte Verschwindenlassen von Deutschen während der argentinischen Militärdiktatur zur Verantwortung gezogen werden. Gemeinsam mit dem Center for Constitutional Rights (CCR) aus New York betrieb Kaleck von 2004 bis 2008 Strafverfahren gegen US-Militärs, u.a. den ehemaligen US-Verteidigungsminister Rumsfeld.
Als Rechtsanwalt vertritt Kaleck den Whistleblower Edward Snowden in dessen Angelegenheiten in Deutschland und koordiniert Snowdens Anwaltsteam in Europa. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt ist Kaleck außerdem als Publizist tätig.