Bruno Kreisky Stiftung

für Verdienste um die Menschenrechte

2022 | 19. Verleihung

23.6.2022
Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog

Die Bruno Kreisky Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte hat am 23. Juni 2022 zum 19. Mal im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog den nach dem ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky benannten, ältesten und renommierten Menschenrechtspreis in Österreich vergeben.

Die Jury des Bruno Kreisky Preises für Verdienste um die Menschenrechte, zusammengesetzt aus unabhängigen Expertinnen und Experten, hat den internationalen Bruno Kreisky Menschenrechts-Preis 2022 an die belarussische Oppositionspolitikerin und Aktivistin Maria Kalesnikawa für ihr Eintreten für die Demokratie und die Sicherung der Menschenrechte in Belarus verliehen.

Neben Maria Kalesnikawa wurden auch die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Haq, die asylkoordination österreich und Martin Hochegger, vor allem für seine Arbeit in Tansania, ausgezeichnet. Der ehemalige österreichische Außenminister und Botschafter Dr. Peter Jankowitsch würdigte in seiner Laudatio das Engagement von Maria Kalesnikawa für die Demokratie in Belarus. Der libanesische Schriftsteller und Journalist Elias Khoury hielt die Laudatio auf Al-Haq, Pater Wili Maningi, Pfarrer in Moshi (Tansania) und Projektpartner von Martin Hochegger, hob Martin Hocheggers Wirken hervor, und Frau Mag.a Nina Horaczek, Politologin und Chefreporterin der Wochenzeitung FALTER, wies auf die bedeutsame Arbeit der asylkoordination österreich rund um die Themen Asyl und Flucht hin.

Maria Kalesnikawa

Maria Kalesnikawa ist eine belarussische politische Aktivistin, Oppositionspolitikerin, Musikerin und Musikpädagogin. Während der umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Belarus im Jahr 2020 war sie zunächst Teil der Präsidentschaftskampagne rund um Wiktar Barbaryka (Viktor Babariko). Nachdem Witkar Barbaryka verhaftet wurde, fungierte Maria Kalesnikawa als seine Vertreterin. Sie rief die belarussische Bevölkerung dazu auf, sich aktiv an den Wahlen zu beteiligen und Verantwortung für die Zukunft des Landes zu übernehmen, anstatt die Wahlen zu boykottieren. Nachdem zahlreiche Kandidaten von den Wahlen ausgeschlossen worden waren, unterstützten Maria Kalesnikawa und Weranika Zepkala die Präsidentschaftskandidatur von Swjatlana Zichanouskaja. Maria Kalesnikawa ist auch Teil des Präsidiums des Koordinierungsrates in Belarus, der zur Organisation eines friedlichen Übergangs und der Überwindung der politischen Krise in Belarus eintritt. Sie gründete die Partei „Rasam“ (auch „Wmestje“, auf Deutsch: „Gemeinsam“). Während Weranika Zepkala und Swjatlana Zichanouskaja fliehen mussten, weigerte sich Maria Kalesnikawa Belarus zu verlassen. Ein Versuch, sie in die Ukraine zu verschleppen, schlug fehl. Im September 2020 wurde Maria Kalesnikawa verhaftet. Im September 2021 folgte ihre Verurteilung zu 11 Jahren Haft. Das Verfahren gegen Maria Kalesnikawa wurde international kritisiert, ihr wurden die Gründung und Führung einer extremistischen Vereinigung, die Anstiftung zur Gefährdung der nationalen Sicherheit sowie eine angebliche Verschwörung zum Zwecke der illegalen Machtergreifung vorgeworfen. Im Januar 2022 wurde Maria Kalesnikawa in die Strafkolonie Nr. 4 in Gomel überstellt. Amnesty International stuft sie als politische Gefangene ein und fordert ihre umgehende Freilassung. Trotz ihrer Verhaftung unterstützt und inspiriert Maria Kalesnikawa weiterhin Menschen, die für Menschenrechte und Freiheit kämpfen. Da Maria Kalesnikawa sich nach wie vor in Haft befindet, konnte sie nicht persönlich ausgezeichnet werden, so nahm stattdessen ihre Schwester, Tatsiana Khomich, den Preis für Maria Kalesnikawa entgegen.

Al-Haq

Al-Haq ist eine unabhängige, palästinensische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Ramallah (Westjordanland). Die Nichtregierungsorganisation wurde 1979 zum Schutz und zum Einsatz für die Menschenrechte sowie Rechtsstaatlichkeit in den palästinensischen Autonomiegebieten gegründet. Al-Haq verfügt über einen Konsultationsstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Al-Haq hat es sich zur Aufgabe gemacht, individuelle wie auch kollektive an Palästinenserinnen und Palästinensern begangene Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Autonomiegebieten, unabhängig von der Herkunft der Täter, zu dokumentieren und sich mittels Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene für ein Ende dieser Menschenrechtsverletzungen einzusetzen sowie die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Al-Haq wurde bereits u.a. mit dem Fayez A. Sayegh Memorial Award, dem Rothko Chapel Award for Commitment to Truth and Freedom, dem Preis der Carter-Menil Human Rights Foundation oder auch dem Menschenrechtspreis der Französischen Republik ausgezeichnet. Die Organisation Al-Haq betrachtet den Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte als eine Würdigung ihrer Arbeit und als Zeichen der Solidarität insbesondere in Anbetracht der kürzlich erfolgten Angriffe auf die palästinensische Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen. Al-Haq nimmt den Preis zum Anlass, sich weiterhin für die Rechte von Palästinenserinnen und Palästinenser einzusetzen und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren.

Martin Hochegger

Martin Hochegger wurde vor allem von der in Lateinamerika entwickelten „Theologie der Befreiung“ und deren Konzept von der parteilichen Solidarität mit marginalisierten und unterdrückten Bevölkerungsgruppen beeinflusst. Diese sollte die Tätigkeit von Martin Hochegger als Religionspädagoge, als engagierter „Brigadista“ in Nicaragua, ebenso wie als Gründungsmitglied des „Grazer Büros für Frieden und Entwicklung“, langjähriger Obmann des Vereins ZEBRA, aber auch sein Engagement beim Aufbau einer Begleitschiene für traumatisierte Kriegsflüchtlinge, als Aufdecker der Misshandlungen von Kindern mit Behinderung in der steirischen Psychiatrie, als Reformer in Leitungsfunktion in einer Einrichtung für Kinder mit Behinderungen nach tiefgreifenden Traumatisierungen durch exzessive Gewalterfahrungen und sexuellen Missbrauch prägen. Martin Hochegger war zudem als ehrenamtlicher Unterstützer an dem Aufbau inklusiver Bildungsstrukturen im nationalen und internationalen Umfeld tätig. Derzeit widmet sich Martin Hochegger insbesondere der Unterbringung, sowie Bildung und Betreuung von Kindern mit Albinismus in inklusiv geführten Schulen in Tansania. In manchen Regionen Tansanias kommt es wie vor zu Tötungen oder grausamen Verletzungen, da der Verzehr von Körperteilen dieser Kinder als Glücksbringer beim Suchen von Gold und seltener Erde gilt.

asylkoordination österreich

Die asylkoordination österreich vernetzt seit 1991 NGOs und Initiativen, die Schutzsuchende in Österreich unterstützen, beraten und betreuen. Gemeinsam mit Partnerorganisationen werden Strategien entwickelt und vernetztes Handeln ermöglicht. Die asylkoordination österreich organisiert dabei Netzwerke von Rechtsberaterinnen und -beratern, Psychotherapeutinnen und -therapeuten und Betreuungsstellen für Fluchtwaisen. Die asylkoordination österreich ist auch auf europäischer Ebene bestens vernetzt und wirkt regelmäßig an internationalen Projekten mit. Im Rahmen ihres Patenschaftsprojekt connecting people hat die asylkoordination österreich über 800 Mal dazu beigetragen, dass Fluchtwaisen mit der Hilfe von in Österreich lebenden Menschen Fuß fassen konnten. Die asylkoordination österreich weist auf Missstände in der österreichischen Asylpraxis hin und macht die Öffentlichkeit auf diese aufmerksam. Dies geschieht etwa durch die Organisation von Pressekonferenzen, zudem steht die asylkoordination österreich Journalistinnen und Journalisten mit ihrem umfassenden Wissen zur Verfügung und koordiniert dutzende Organisationen in Kampagnen wie KIND ist KIND oder #fairlassen.
Pro Jahr werden bis zu 40 Fortbildungsveranstaltungen für Kolleginnen und Kollegen aus dem Asylbereich angeboten, auch werden Schulworkshops zu den Themen Flucht, Asyl und Rassismus für Schülerinnen und Schüler jeden Alters durchgeführt.

Verleihung des Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte 2022 ©Thomas Peschat-http://www.tompesch.at